VisuFlexFachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.

 

Hintergrund

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag das Ziel verankert, den Anteil des erneuerbaren Stroms am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2030 auf 80 % zu erhöhen. Gleichzeitig erfolgt der Ausstieg aus Atom und Kohle. Bereits in den nächsten Jahren werden erhebliche Stromerzeugungskapazitäten abgestellt und durch erneuerbare, vorwiegend witterungsabhängige und somit fluktuierende Energien wie Sonne und Wind ersetzt. Somit wird es Zeiten geben, in denen mehr Strom produziert als benötigt wird, und Phasen, in denen Sonne und Wind wenig oder nicht verfügbar und somit Senken der Stromversorgung auszugleichen sind – sogenannte Dunkelflauten. Dies erfordert in naher Zukunft alternative Flexibilitätsoptionen für die Stromversorgung.

Nahezu alle Akteure gehen davon aus, dass flexible Gaskraftwerke einen wichtigen Beitrag leisten müssen. Diese sollen mittel- bis langfristig auf grünen Wasserstoff umgestellt werden. Solche Kraftwerke sind schon heute verfügbar:  Biogasanlagen mit ihren Blockheizkraftwerken (BHKW).

Für einen systemdienlichen Betrieb müssen Bestandsbiogasanlagen mit Stromerzeugung jedoch von Grundlast auf die Deckung der Residuallast, also eine flexible Betriebsweise, umgestellt werden. Dies erfordert Investitionen, z. B. in neue Wärme-, BHKW- oder Gasspeicherkapazitäten. Die Bundesregierung fördert die Anpassung von Biogasanlagen an das künftige Stromnetz mit der Direktvermarktung, der Flexibilitätsprämie und dem Flexibilitätszuschlag. Laut Deutschem Biomasseforschungszentrum im Jahr 2019 erhielten ca. 3.300 Biogas- und Biomethan-BHKW mit einer installierten elektrischen Leistung von ca. 2,2 GWel die Flexibilitätsprämie. Obwohl die Stromeinspeisung zu Hochpreisphasen Mehrerlöse verspricht, fahren die meisten dieser Anlagen trotzdem bislang nicht marktpreisorientiert. Daher bleiben die Effekte der Flexibilisierung bislang wenig sichtbar und der Wert real existierender Biogas-Speicherkraftwerke wird für den Strommarkt kaum wahrgenommen.

Stromverbrauch und Stromerzeugung aus konventionellen und erneuerbaren Energien (Quelle: Agorameter von Agora Energiewende)

Biogasanlagen leisten mit einem Anteil von knapp 13 % einen wesentlichen Beitrag zur erneuerbaren Stromerzeugung. Für einen wirtschaftlichen Betrieb wurden sie aufgrund der im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgeschriebenen Grundvergütung für den eingespeisten Strom bislang überwiegend in Grundlast betrieben. Dabei hat Biogas gegenüber anderen erneuerbaren Energien einen wesentlichen Vorteil: Es kann nicht nur bedarfsgerecht erzeugt, sondern auch flexibel verstromt werden. So können Biogas- und Biomethan-BHKW bei hoher Netzbelastung heruntergefahren werden und das Netz frei für Wind- und Solarstrom machen. Bei Strombedarf hingegen eignen sie sich als Reservekapazität. Biogassubstrate und Biogasspeicher werden so zu „Batterien“ für die Stromversorgung in Engpasszeiten.

Biogasanlagen produzieren Strom auch wenn die Sonnen nicht scheint und der Wind nicht weht

VisuFlex belegt bedarfsgerechte Stromerzeugung aus Biogas

Das Vorhaben „Visualisierung der Netz-/Systemdienlichkeit flexibilisierter Biogasanlagen (VisuFlex)“ zeigt, dass ausgewählte, zukunftsweisend flexibilisierte Biogasanlagen schon heute flexibel an den Bedarf angepasst Strom produzieren. In der Gegenüberstellung von Stromeinspeisung, Strompreisen und Residuallast wird deutlich, dass die ausgewählten Biogasanlagen sehr zuverlässig zu Zeiten von Last- und Preisspitzen einspeisen und somit markt- und damit auch systemdienlich betrieben werden.

Das Vorhaben VisuFlex unterteilt sich in zwei Projektphasen. In der ersten Projektphase wurden Identifikationskriterien zur Auswahl zukunftweisend flexibilisierter Biogasanlagen erarbeitet. Die Gegenüberstellung erfolgte anhand der Auswertung historischer Daten vom 01.01.2019-30.06.2020. In dieser Phase konnte der Nachweis erbracht werden, dass die Strompreise der Residuallast folgen und die Stromeinspeisung ausgewählter zukunftsweisend flexibilisierter Biogasanlagen den Strompreisen sehr genau entsprechen. Darauf aufbauend erfolgt in Projektphase zwei die Gegenüberstellung der Daten in Echtzeit. Die Visualisierung erlaubt die Darstellung der Daten zu frei wählbaren Zeitspannen.

Das Vorhaben VisuFlex wurde federführend von der Agrarservice Lass GmbH (ASL) mit Hilfe des Flexperten-Netzwerkes unter Einbindung zahlreicher Direktvermarkter durchgeführt. Da die Direktvermarkter einen strengen Datenschutz hinsichtlich der von ihnen gelieferten Einspeiseprofile forderten, um beispielsweise Einblicke in die Vermarktungsstrategie zu vermeiden, wurde eine strenge Vertraulichkeitserklärung der Projektbeteiligten ausgearbeitet. Aufgrund der besonderen Sensibilität werden die Daten zudem bei einem externen Unternehmen außerhalb des Einflussbereichs von ASL und dem Flexpertennetzwerk empfangen und bearbeitet.

Stromeinspeisung zukunftsorientiert flexibilisierter Biogasanlagen in Gegenüberstellung mit den Strompreisen und der Residuallast.